Bereits seit einigen Jahren folge ich Karin oder besser gesagt @theurbangardeness auf Instagram. Ihr sonniger Stadtbalkon ist gerade einmal 3m² groß aber an Blüten, Farbenpracht und Vielfalt kaum zu übertreffen. Ein echter Traumbalkon: Stiefmütterchen, Erdbeeren, Sukkulenten und Rosen sind nur einige der Balkonbewohner von Karin. Zwischendurch gibt es einen Balkonwechsel der besonderen Art und es geht von München nach Beirut. Auch dorthin nimmt uns @theurbangardeness mit und zeigt, wie sie dort ihre eignen Teekräuter kultiviert.
Liebe Karin, magst du uns vielleicht erzählen, warum du zwischen zwei Balkonen hin und her reist?
Ich wollte schon immer an einem andern Ort sein und dort den Alltag erleben, also eher leben statt reisen. Am liebsten natürlich an einem warmen Ort, an dem ich mich zu Hause fühle. Mit Beirut habe ich das gefunden. Wenn ich dort ankomme fühlt es sich an wie zu Hause. Ich habe auch mittlerweile gute Freunde da, die ich natürlich vermisse, wenn ich jetzt auch grade in dieser Situation nicht dort hinreisen kann. Das ist dann andersherum mit meinen Freunden in Deutschland natürlich genauso.
Abgesehen davon bringt es mein Job als User Experience Designer mit sich, dass ich sehr viel lerne und inspiriert werde, wenn ich diesen Wechsel in etwas komplett Neues erlebe. Mich interessiert, wie Menschen an anderen Orten der Erde leben, wie der Alltag dort aussieht und wie sie damit umgehen.
Oft starte ich auch mit ganz neuen Gewohnheiten und fange z.B. einen neuen Sport an, wenn ich ankomme, weil das einfacher ist als in der gewohnten Umgebung. Dieses mal habe ich mit dem Thaiboxen angefangen und bin wieder Motorrad gefahren (das erste mal seit 18 Jahren :D)
Folgt man dir bei Instagram, so sieht man sofort deine Liebe zum Gärtnern. Ich kenne kaum einen Balkon, der so farbenprächtig und üppig aussieht. Du scheinst dir viel Zeit dafür zu nehmen. Wie viel „Arbeit“ steckt dahinter, wenn man so einen schönen Balkon haben möchten?!
Vielen Dank dafür, das freut mich natürlich, dass das auch so auf den Bildern rüber kommt.
Die Arbeit dahinter, …mhh das ist eine sehr gute Frage. Im ersten Impuls würde ich immer sagen, es ist gar nicht viel Arbeit. Aber wenn ich dann andern Tipps für Ihren Balkon gebe und die einzelnen Schritte aufzähle, z.B. wie eine gute Erde gemischt wird, erhalte ich doch oft die Frage, ob das nicht einfacher geht.
Für mich ist es einfach und Zeit spielt nicht so eine Rolle, weil ich es gerne mache. Jeder Schritt beim Gärtnern ist für mich Meditation. Daher sehe ich es nicht so sehr als Arbeit sondern als Bereicherung. Während Arbeit ja so belegt ist, dass man so wenig wie möglich davon haben mag, möchte ich von dieser Arbeit so viel wie möglich haben, weil es mich einfach glücklich macht. Selbst nach einem stressigen Tag braucht es nur 20 Minuten an ‚Arbeit‘ in meinem Garten und alles ist verflogen.
Also generell, wenn Du von dem objektiven Zeitaufwand sprichst, ist das für mich schwer zu schätzen. Ich würde sagen, dass ich im Schnitt ca. 20-30 Minuten am Tag mit wirklicher Arbeit am oder für den Balkon verbringe. Dazu zähle ich auch Sachen wie Töpfe umräumen, alte Blüten entfernen, umtopfen etc.
Dein Balkon ist nicht sonderlich groß aber bietet eine beeindruckende Vielfalt. Wie schafft man es auf so kleinen Raum ein grünes Refugium wie das Deine anzulegen? Magst du uns ein paar deiner Tipps verraten?
Da gibt es mehrere Sachen, die ich über die Jahre so gelernt habe und anwende.
Mir ist es wichtig, dass der Balkon zu jeder Jahreszeit ein Platz ist an dem ich mich gerne aufhalte – nicht nur im Sommer. Das bedeutet bestenfalls das ganze Jahr soll Grün da sein und auch blühende Pflanzen. Was im Winter herausfordernd ist, aber bei mir diesen Winter auch gut geklappt hat. Außerdem möchte ich natürlich auch ernten, was dann eher auf die Phase Frühjahr bis Herbst fällt.
Ich mische meine Pflanzen auf dem Balkon so, dass ca. die Hälfte der Pflanzen mehrjährig sind und einen festen Platz haben. Die gedeihen das ganze Jahr und ich hab auch nicht so viel Arbeit damit. Das sind dann Pflanzen wie z.B. meine Rose, Clematis, Schmetterlingsstrauch und winterharte Kräuter. Außerdem auch Frühjahrsblüher, deren Zwiebeln im Boden bleiben und jedes Jahr aufs Neue (ab Februar )Farbe bringen.
Die andere Hälfte sind Frühjahrs- und Sommerpflanzen, die einjährig sind. Da plane ich jedes Jahr neu, je nachdem welche Sorten und Farben ich gerne haben möchte. Das sind z.B. Tomaten, Auberginen und anderer Gemüse, Frühlingssalate und verschiedene Frühjahrsgemüse, wie z.B. Erbsen, Radieschen und Mairübchen, und natürlich alle möglichen einjährigen Kräuter und Blumen.
Was bedeutet dein Balkongarten für dich? Könntest du dir eine Wohnung ohne Balkon überhaupt vorstellen?
Das ist absolut unvorstellbar für mich. Selbst als ich in Beirut eine Wohnung gesucht habe, war neben der Lage und Aussicht auf jeden Fall ein Balkon ein Must-have.
Wie schon vorher beschrieben ist das einfach mein „happy place“ an dem ich Freude und Ausgleich finde und mich selber verwirklichen kann.
Ziehst du deine Pflanzen überwiegend selbst vor oder wie kommst du zu deinen grünen Mitbewohner?
Teils teils: es kommt zudem auch immer drauf an, wieviel Zeit ich zur Verfügung habe, die für eine Anzucht nötig wäre.
Tomaten und anderes Gemüse ziehe ich immer selbst vor. Ich baue fast ausschließlich alte Sorten an, weil ich die Erhaltung wichtig finde und da gibt es die größte Vielfalt im Samenverkauf. Außerdem müssen die Pflanzen ja auch balkongerecht sein und da engt sich das Feld dann schon ein – wenn man Pflanzen kaufen möchte und nicht auf Hybriden zurück greifen will. Daher auf jeden Fall selber säen.
Was baust du alles auf deinem Balkon an? Gibt es Pflanzen, die in keinem Jahr fehlen dürfen? Was waren die bisherige Herausforderungen und gibt es grüne Mitbewohner, die nicht wieder kommen dürfen?
Tja, das ist natürlich eine schwierige Entscheidung jedes Jahr, weil ich ja meist nur ca. 3 Quadratmeter zur Verfügung habe. Auf keinen Fall fehlen dürfen meine Lieblingsgemüse Tomate und Aubergine, Chilis ebenfalls. Ausserdem Kräuter wie Basilikum, Thymian, Rosmarin, Koreanische Minze. Zu diesen essentiellen Mitbewohnern kommen dann noch jedes Jahr ein paar Neue. Da lass ich mich einfach inspirieren, je nach Laune. Dieses Jahr möchte ich Räucherpflanzen und mehr Heilpflanzen anbauen, weil ich gerne anfangen möchte Kräuterauszüge herzustellen.
Die bisherige Herausforderung war sicherlich in einem anderen Klima anzubauen und zu lernen, dass es in der Tat auch zu heiß sein kann für manche Pflanzen, die bei uns nicht genug Hitze abbekommen können. Zudem ganz neue exotische (aber dort natürlich heimische) Schädlinge.
Generell kann ich sagen, dass ich keinerlei GMO Saatgut mehr kaufe und keines, das einem Patent unterliegt, also auf keinen Fall solches von Monsanto und deren Unterfirmen! Ich achte auch darauf, dass es möglichst keine Hybriden sind sondern dass es sich um alte Sorten handelt, die ich dann von Saatguterhaltern oder entsprechenden Onlineshops beziehe.
Ansonsten wächst hier in meinem deutschen Balkongarten eigentlich alles was ich aussuche… und da würde mir jetzt niemand einfallen, der nicht wieder kommen darf wenn es um das gedeihen geht. Außer vielleicht Minze. Seit ich koreanische Minze kennen gelernt habe (die ja eigentlich eine Agastache ist), kommt mir die normale nicht mehr ins Haus 😉
Du immer wieder für einige Monat in Beirut und hast auch dort einen Balkongarten. Magst du uns hier ein wenig an deinen Erfahrungen teilhaben lassen? Ist das Gärtnern am Balkon dort sehr viel anders, hast du neue Pflanzen ausprobiert?
Als klar war, dass ich für eine längere Zeit im Libanon wohnen werde, war auch ganz klar, dass ich dort einen Balkongarten starten werde.
Das Jahr davor hatte ich sogar einen Garten, aber da habe ich in den Bergen im Nordlibanon gewohnt, in Beirut ist ein Balkon dann doch realistischer.
Also hab ich mich auf die Suche gemacht und eine sympathische Wohnung mit sympathischen Mitbewohnern gefunden, die noch keine Gärtner waren aber sehr gerne welche werden wollten.
Das Balkongärtnern ist in sofern anders, dass es wunderbar warm mit hoher Luftfeuchtigkeit ist und man beim Pflanzenkauf jedes mal ausrastet, weil es natürlich jetzt so viele Möglichkeiten gibt.
In Beirut gibt es einen Plant Market, der von April bis Juni statt findet. Dort gibt es wirklich alles, was man sich so vorstellen kann. Außerdem kannte ich von meinem letzten Aufenthalt auch noch ein paar Gärtnereien, wo wir dann Erde und eine Passionsfrucht gekauft haben.
Das war denke ich auch ein Highlight: meine erste Maracuja aus dem Garten zu essen.
Und blauer Jasmin und Bougainvillea. Es wächst da wirklich alles, sogar Mangos, was ja ein Traum von mir ist… irgendwann meinen eigenen Mangobaum zu haben.
Es hat aber auch Nachteile z.B. neue Schädlinge, die ich noch nicht kannte und die Tatsache, dass es bekannten Sonnenanbetern wie Tomaten auch echt zu warm sein kann. Außerdem gab es keine qualitativ hochwertige Erde. Da muss ich mir nächstes Mal was überlegen, um das zu lösen.
Viele stehen bei einem Auslandsaufenthalt, sei es Urlaub, Job oder Auslandssemester vor der Frage „Was mache ich mit meinen Pflanzen“. Wie war das bei dir? Hast du einen Rat, wie man es schafft, dass die Pflanzen auch nach längerer Abwesenheit noch am leben sind und sich nicht verzweifelt vom Balkongeländer stürzen?
Das war bei mir relativ simpel. Ich habe das Apartment mit der Bedingung vermietet, dass sich um die Pflanzen gekümmert werden muss. Also quasi an jemanden vermieten, der Freude damit hat. Das hat mal besser mal schlechter funktioniert. Einen Teil habe ich dann auch per Kaution wieder bekommen und einen Teil einfach wieder neu gepflanzt. Das war alles ok bisher und gab keine Probleme, weil vorher klar verständigt. Wenn der Mieter mal im Urlaub ist, gießt auch meine Nachbarin gerne mal.
Natürlich überlege ich mir auch aus diesem Grund mal ein Bewässerungssystem anzulegen, da ist dann allen geholfen. Aber da habe ich mich noch nicht informiert, wie das funktionieren kann.
Viele meiner Leser fangen gerade erst mit dem Gärtnern am Balkon an. Du bist ja mittlerweile schon eine richtige Balkon-Expertin und hast bestimmt sehr gute Ratschläge für die Balkon-Beginner. Wie fange ich am besten an, wenn mein Balkon in diesem Jahr auch endlich so schön erblühen soll?!
Ich würde mit ein paar Kästen oder Töpfen anfangen und dann die Masse langsam steigern (passiert dann eh von selber :-). Wichtig für einen Erfolg sind ein paar simple Dinge: Standort – welche Pflanzen sind für meine Ausrichtung (z.B. Südbalkon), die Richtigen. Auf jeden Fall Qualitätserde kaufen oder noch besser selber mischen. Und natürlich große Töpfe kaufen. Je größer desto besser und am besten Ton oder Pflanzsäcke, weil Plastik zu heiß wird und auch aus vielen andern Gründen eh vermieden werden sollte. Dann kann da nicht so viel schiefgehen. Jeder kann das, wenn man sich dafür interessiert.
Hallo Silvia, danke für den tollen Beitrag. Erstaunlich, dass man aus einer so kleinen Fläche eine soooo große Wohlfühloase herausholen kann. ???
Das sieht man mal, was man auch aus dem kleinsten Balkon rausholen kann!
So schön, wie viel man aus dem kleinen Balkon machen kann! Gerade in der aktuellen Zeit, wo man nicht so viel ausgehen kann wie sonst, ist so eine Oase natürlich umso schöner.
Liebe Silvia, liebe Karin(Gärtnerin in 2 Welten !) !
Das war grade Heilung für meine wunde Seele ! Aber mein Balkon ist in diesem Sommer auch sehr schön. Jeden Morgen vergnüge ich mich ungefähr ein halbe bis volle Stunde mit meinem Urwald, der wirklich viel zu bieten hat. Inzwischen habe ich schon ein Dutzend Snackgurken geerntet und alle paar Tage gibt es zum Frühstück eine Handvoll Erdbeeren. Nach guter Düngung sind sie mittlerweile auch zuckersüß. WIE WICHTIG DAS RICHTIGE FUTTER DOCH IST !
Dieses Jahr habe ich zu den Gurken das erste Mal Bohnen gelegt. in jeden Topf 5 Stück. Und siehe da, die ersten sind schon 5-8 Zentimeter lang. Ich liebe Buschbohnen, z.B. zu jungem Matjes. (P.s. 2 große Gurkentöpfe)
Nun aber die „wunde Seele“ : Da lag doch am letzten Donnerstag ein Brief vor meiner Tür von einer neu eingezogenen Frau unter mir. Der niedliche Junge, der mich manchen Vormittag mit seinem Spiel und Lachen unterhalten hat, ist leider in eine größere Wohnung gezogen. nun darf ich in meinem Schlafzimmer keine Geräusche mehr machen ! Die erste Nacht kriegte ich prompt Atembeschwerden. Eigentlich reichen die Corona-Einschränkungen schon, muß einem (mir) das Leben auch noch auf andere Weise schwer gemacht werden ? Nun, ich bin noch kein Engel, sonst könnte ich ja fliegen. Aber ich werde auf mein blaues Sofa im wohnzimmer ziehen. bin ich auch näher bei meinen Pflanzen, Insekten und Vögeln.
Aber sonst genieße ich meine Pflanzen und Vögel sehr. Gerade eben läuten die Glocken aller drei Kirchen zum Gottesdienst. Erstaunlich war die Kirche auf dem Foto aus Beirut. Schön, wenn man mit toleranten Menschen zu tun haben kann.
Der momentane Wechselsommer beschert uns nach wie vor genügend Gießwasser/ dank meiner Überdachung läuft es über eine Dachrinne in große Bottiche und die gefräßigen Gurken bekommen ihr weiches, warmes Wasser.
Für HEUTE wünsche ich den lieben Gärtnerinnen einen gelungenen Sommer und viele schöne Pflanzerfolge. eure Sibylle